Wasserschutzzone Thalham-Reisach-Gotzing – Gutachten von Prof. Uwe Tröger/ Ergebnis

Landrat Olaf von Löwis zum Streit um Trinkwasser aus dem Mangfalltal: „hohes Risikopotenzial der Kläranlagen“

In unserem Video gesteht Olaf von Löwis, das hohe Risikopotenzial der Kläranlagen im Landkreis Miesbach, wie es das Gutachten des Berliner Hydrogeologen Prof. Uwe Tröger herausgearbeitet habe, sei ihm so nicht bewusst gewesen. Von Löwis wörtlich (ab TC 1.50 Min.) : „Aber wenn man die Hochwasserereignisse und die Starkregenereignisse zusammennimmt mit den Kläranlagen und den Anforderungen, die diese zu erfüllen haben, erschließt sich mir mittlerweile schon, dass da ein Gefährdungspotenzial besteht. Das ist sicherlich ein dickes Brett, was wir da bohren müssen. Wir haben eine Menge Kläranlagen im Landkreis und da sind wir sicherlich nicht allein auf der Welt.“ Man müsse sich also nicht nur im Landkreis Miesbach dem Thema ‚Risikopotenzial der Kläranlagen durch Hochwasser und Starkregenereignisse‘ genauer widmen. Die Frage sei dann auch, wer gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen bezahlen müsse, so von Löwis.

Wie der Merkur am 13.12.2021 berichtete, bestätigte der Abwasserzweckverband für das Schlierachtal (ZAS) in Person des Miesbacher Bürgermeisters Gerhard Braunmiller, dass die Kläranlagen in Miesbach und Gmund an den Februar- und August-Tagen 2020, auf die sich die beanstandete Verkeimung des Münchner Trinkwassers beziehe, tatsächlich aufgrund von Hochwasser- und Starkregenereignissen „Überwasser“ eingeleitet hatten. Rechtlich sei dies zulässig, wenn mehr Wasser in einer Kläranlage ankomme, als deren Rückhaltebecken aufnehmen könne, so Braunmiller laut Merkur weiter. Im Bericht heißt es außerdem, zumindest für den Februar 2020 sei nachgewiesen, dass im Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing kein Vieh auf der Weide gestanden habe.

Der Hintergrund: Die Stadtwerke München, die etwa 80 % ihres Trinkwassers für München aus dem Wasserschutzgebiet Mangfalltal entnehmen, hatten eine tageweise mikrobakterielle Verkeimung in den Monaten Februar und August 2020 beanstandet. Um dergleichen künftig zu vermeiden, hatte die (damals noch amtierende) Präsidentin der Regierung von Oberbayern, Maria Els, den zuständigen Landrat von Löwis angewiesen, ein Beweidungs- und Wirtschaftsdüngeverbot in der Zone IIa des Wasserschutzgebietes Thalham-Reisach-Gotzing zu erlassen – so, wie es der Katalog standardisierter Präventionsverfahren vorsieht.

Olaf von Löwis argumentiert dagegen, wenn der Gutachter zu dem Schluss komme, dass die durch Hochwasser- und Starkregenereignisse überlasteten Kläranlagen die Verkeimung verursacht hätten, bringe es nichts, einfach in den standardisierten Instrumentenkasten zu greifen und eine dort aufgelistete Maßnahme – das Dünge- und Beweidungsverbot – zu erlassen. Der Miesbacher Landrat im Lawiki.bayern-Video wörtlich (ab TC 1.21 Minuten): „Wir müssen weg von reinen Standardverfahren. Wir müssen hin zu modernen innovativen Verfahren, wie sie die Wissenschaft jetzt aktuell auch zur Verfügung stellt.“ (Aufnahme vom 18.10.2021 im Anschluss an eine Pressekonferenz im Miesbacher Landratsamt, in die Prof. Tröger für genauere Erläuterungen und Rückfragen per Video eingebunden war.)

Besonders betroffen von dem in Rede stehenden Dünge- und Beweidungsverbot für das Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing wären die Stadt Miesbach, die Gemeinden Warngau und Valley, der Verein ‚Unser Wasser‘, Bio-Landwirt Alois Fuchs, Marion und Kartz von Kameke vom Bio-Gut Wallenburg sowie Martina Eck. Sie alle teilen die Einschätzung, ein solches Verbot führe zu einer faktischen Stilllegung ihrer landwirtschaftlichen Flächen. Durch ihre Petition beim Bayerischen Landtag wollten die Betroffenen erreichen, dass kein Dünge- und Beweidungsverbot angeordnet werden darf, ehe das Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing im Mangfalltal neu ausgewiesen worden ist. Der Umweltausschuss stützt mit seiner Entscheidung vom 31.3.2022 die Sichtweise der Petenten.

Ehe im Umweltausschuss des Bayerischen Landtages über die Petition entschieden wurde (-> 31. März), hatten sich alle Beteiligten einen persönlichen Eindruck von den Verhältnissen im Wasserschutzgebiet Mangfalltal verschafft. Beim Ortstermin am 24. Februar 2022 waren so nicht nur der Umweltausschuss und die Petenten vertreten, sondern auch das Landratsamt, das Umweltministerium, das Landesamt für Umwelt (LfU), das Wasserwirtschaftsamt, die Regierung von Oberbayern, das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die Stadtwerke München und Ilse Aigner – hier nicht in ihrer Funktion als Landtagspräsidentin, sondern vielmehr als Stimmkreisabgeordnete. (Quelle: Merkur vom 26./27.2.2022)

Zu den Stationen der Informationsfahrt gehörte damals auch die Wiese des Bio-Bauers Alois Fuchs. Er müsse seinen Betrieb zusperren, wenn es ihm nicht mehr erlaubt sei, seine höchstens 12 Jungrinder auf den betroffenen knapp 4 Hektar Land weiden zu lassen, so Fuchs. Dass ihn ein Beweidungsverbot treffen könnte, verstehe er umso weniger, als ihm die Stadtwerke München gerade erst schriftlich attestiert hätten, dass er seinen Bio-Betrieb regelkonform betreibe und damit maßgeblich zum Schutz des Trinkwassers beitrage. Michael Haug vom Umweltministerium erklärte dies damals laut Merkur mit den gesetzlichen Regeln für alle engeren Schutzzonen. Die 1,5 Millionen Menschen in München müssten maximal geschützt werden vor mikrobiologischen Schadstoffeinträgen. Dem entgegnete der Anwalt der Petenten, die (hier im Hinblick auf Trinkwasser für München in Rede stehende) Reisachfassung sei so absolut nicht zu schützen. Nach Benno Zieglers Darstellung handele es sich um einen Drainagebrunnen, der das Wasser nicht wie üblich aus der Tiefe hochpumpe, sondern dieses in der Fläche sammele und in die Landeshauptstadt leite. Es gehe hier um ein mehrere Quadratmeter großes, nicht eingezäuntes Gebiet, in dem Wildtiere ebenso ihre Ausscheidungen hinterlassen könnten wie Hunde von Spaziergängern. Ziegler laut Merkur wörtlich: „Das Trinkwasser wird ohne die Rinder der Bio-Landwirte nicht sicherer.“ Zumal man nicht wirklich wisse, dass die Keimbelastung von den Rindern komme, wie Michael Haug vom Umweltministerium einräumen musste. Für den Fall, dass doch einmal der Verdacht auf Keimeintragung aufkomme, könne man ja wie in Deisenhofen auf ultraviolettes Licht zurückgreifen, um die Keime abzutöten, so der Hinweis von Andreas Hallmannsecker vom Verein ‚Unser Wasser‘.

Beim Halt am Klärwerk Miesbach war noch einmal die Rolle von Starkregenereignissen im Zusammenhang mit Verkeimungen zur Sprache gekommen (s.o.). Wie der Merkur weiter berichtete, bestätigte Alfred Kölbl, Betriebsleiter der für Schliersee, Hausham und Miesbach zuständigen Kläranlage, dass man Abwasser und Oberflächenwasser über einen Mischwasserkanal entsorge und deshalb bei starkem Regen gelegentlich mehr Wasser in die Anlage gelange als diese aufnehmen könne. Hoffnung hatte den Petenten am Ende des Ortstermins die Äußerung des Ausschussmitglieds Benno Zierer gemacht, es gehe in diesem Konflikt auch um regionale Besonderheiten und nicht darum, Vorschriften um ihrer selbst willen einzuhalten. Einen Runden Tisch im Landtag hatte Ilse Aigner damals ins Gespräch gebracht, um die Betroffenen im Verfahren zur Neuausweisung der Wasserschutzzone Thalham-Reisach-Gotzing auf einen gemeinsamen Weg zu bringen. „Eine für jeden nachvollziehbare Lösung finden“, wie es schon der stellvertretende Miesbacher Landrat Jens Zangenfeind im vergangenen Oktober vor unserer Kamera formuliert hatte.

Zur Haltung der Regierung von Oberbayern gegenüber Prof. Trögers Gutachten heißt es im Merkur vom 1.12.2021 u.a., die Behörde beanstande, dass Prof. Tröger „das zentrale Risiko einer Verkeimung durch Beweidung oder Wirtschaftsdünger“ nicht untersucht habe. Dies habe der Hydrogeologe jedoch inzwischen zurückgewiesen. Selbstverständlich habe er das Verkeimungsrisiko untersucht, so Tröger laut Merkur. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge genüge eben eine 10-tägige Verweildauer des Wassers, „um jegliche Gefährdung durch pathogene Keime auszuschließen“.

Wie die Regierung von Oberbayern am 4. März 2022 gegenüber Lawiki.bayern erklärte, bleibt sie bei ihrer Kritik am Gutachten Trögers. D.h.: Für die Behörde ist die Frage nach dem Risiko einer Verkeimung durch Beweidung oder Wirtschaftsdünger weiterhin nicht beantwortet. Prof. Tröger habe eine „wissenschaftliche Studie“ zum „Eintrag durch Versickerung in der Fläche durch länger anhaltenden Niederschlag (nicht notwendigerweise Starkregen)“ nicht berücksichtigt, obwohl ihm diese „im Zusammenhang mit seiner Begutachtung“ vorgelegen habe. Dieser Eintragsweg sei „anhand einer siebenjährigen Messzeitreihe nachgewiesen“ worden.

Zur Verweilzeit bzw. Grundwasserfließzeit schrieb uns die Regierung von Oberbayern, das bundesweit gültige Regelwerk des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) sehe für die Bemessung der engeren Trinkwasserschutzgebietszone eine Grundwasserfließzeit von 50 Tagen vor. Dies stütze sich auf wissenschaftliche Feldstudien, wonach eine Verweilzeit von 50 Tagen erforderlich sei, damit eingetragene pathogene Keime abstürben und somit keine hygienische Beeinträchtigung des Trinkwassers zu besorgen sei. Innerhalb der engeren Trinkwasserschutzgebietszone, d.h. innerhalb der 50-Tages-Fließzeit, müsse daher vorsorglich jegliche hygienische Risikomehrung unterbunden werden. Dies sei der bundesweite fachliche Standard, wie er durch die Wassergesetze und das Regelwerk gefordert werde.

Neuer Akt im Dauerstreit um die Wasserrechte

Laut Merkur vom 24./25.6.2023 zeigt jetzt ein Gutachten des Augsburger Rechtsprofessors Martin Kment, dass den Stadtwerken München (SWM) „keine alten Rechte erteilt worden (sind), und es ist kein behördlicher Erteilungsakt nachweisbarer Rechte für die Wasserbenutzung durch die Reisacher Fassung überliefert. Und selbst wenn es dennoch entsprechende Rechte gegeben haben sollte, wäre der Bestandsschutz spätestens mit dem nachträglichen Bau des Verbindungsstollens erloschen.“ Für Prof. Kment unterliegt Münchens Trinkwasserversorgung damit in der gesamten Reisacher Grundwasserfassung der allgemeinen wasserrechtlichen Genehmigungspflicht. Es sei deshalb wünschenswert, dass die Stadt München ein Genehmigungsverfahren einleite, „um einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen“. Merkur-Redakteur Dieter Dorby weist in seinem Artikel ausdrücklich darauf hin, dass dabei auch die Belange der Umgebung wie Naturschutz und Rechte der Grundstückseigentümer wie etwa deren Entwicklungspläne stärker bewertet würden. Auch eine dieser GrundstückseigentümerInnen, Marion Kameke vom Biogut Wallenburg, lässt Dorby zu Wort zu kommen. Mit der heute üblichen Alternativenprüfung bekomme man neue Perspektiven zur Wassergewinnung hinzu. Kamekes Mitstreiter, Andreas Hallmannsecker vom Verein „Unser Wasser“, wird zitiert mit den Worten: „Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens wird auch die zu entnehmende Menge an Wasser festgestellt. Das ist ein komplett neuer Aspekt hier bei uns.“ Prof. Kments Auftraggeber für das vorliegende Gutachten sind laut Merkur die Stadt Miesbach, die Gemeinden Hausham, Schliersee, Valley und Warngau, der Verein „Unser Wasser“, der Verein der Wasserschutzzonengeschädigten Thalham-Darching sowie die landwirtschaftlichen Biobetriebe Gut Wallenburg und der Hof von Alois Fuchs. Sie alle hätten ihn „sehr gut“ mit Material versorgt, lobt Prof. Kment seine Auftraggeber. Bei seiner aufwändigen Recherche habe er sich nämlich nicht auf gegoogelte Informationen verlassen können.